Der lange Abschied vom Verbrenner
Der Verbrennungsmotor ist tot, es lebe der Verbrennungsmotor. Wie zutreffend ist diese Aussage? Auf den ersten Blick erscheint sie wohl selbst in Anbetracht der Ausnahmeregelungen beim für das Jahr 2035 beschlossenen Ende des Verbrennungsmotors in Europa etwas gewagt. Auf Drängen der Bundesregierung haben die EU-Verkehrsminister am 28. März das Gesetz zur Verschärfung des CO₂-Flottenziels für neu zugelassene Pkw erst mit Nachbesserungen endgültig beschlossen. Anders als ursprünglich von der Kommission geplant, wird es auch nach 2035 möglich sein, neue Autos mit Verbrennungsmotor zu verkaufen, wenn diese ausschließlich mit sogenannten E-Fuels, also mit Hilfe von erneuerbaren Energien synthetisch hergestellter Kraftstoffe, betrieben werden können. Für diese Verbrenner ist eine neue Fahrzeugkategorie namens „E-fuels only“ geplant. Bis Herbst 2024 sollen die genauen Regelungen erarbeitet werden. Für die Praxis könnte dies dann beispielsweise bedeuten, dass ein Neuwagen erkennt, wenn er mit fossilem Benzin oder Diesel betankt wurde, und dann seinen Motor automatisch abschaltet.
Das globale Verkaufsvolumen liegt auch 2035 noch bei 41 Mio. Verbrennern
Dass der totgesagte Verbrenner noch länger lebt, ist bei einem Blick über die EU-Grenzen hinaus aber dann doch gar nicht so falsch. So ergibt eine Berechnung der Auto Zeitung, dass von den Ver-brenner-Verboten im Jahr 2035 ein globales Verkaufsvolumen von 23 Mio. Neuwagen betroffen sein wird. Dagegen könnten 41 Mio. Autos weiter mit Verbrennungsmotor oder als Hybrid verkauft werden. Erst 2060 – wenn mit China auch der größte Automarkt der Welt ein finales Ende der fossilen Antriebe angekündigt hat – ist ein globales Verkaufsvolumen von 50,1 Mio. Fahrzeugen von Verbren-ner-Verboten betroffen. Nur 13,9 Mio. Neuwagen dürften dann noch auf fossile Kraftstoffe setzen. Weltweit hat der Verbrennungsmotor also durchaus noch eine Zukunft.
Bereits verändert hat der Mobilitätswandel die Produktionslandschaft – und er wird es weiter tun. Das wirkt sich auch auf den Absatz von Werkzeugmaschinen aus, die zur Fertigung von Verbrennungsmotoren und Getrieben benötigt werden, mit Konsequenzen für die Werkzeugmaschinenhersteller. Diese können entweder der Automobilindustrie den Rücken zukehren und sich auf andere Branchen konzentrieren oder wie die Grob-Werke den Autobauern in die Elektromobilität folgen.
„Die Erben von Otto und Diesel müssen sich weltweit gesehen noch in Geduld üben.“
Das Mindelheimer Unternehmen hat das Know-how für die Großserie und fühlt sich daher im Umfeld der Automobilindustrie pudelwohl. „Wir haben unsere Hausaufgaben in Sachen Transformation gemacht und sehen uns gut aufgestellt für die Zukunft“, urteilt der Aufsichtsratsvorsitzende Christian Grob. Bestätigt wird dies durch die Aussage von CEO German Wankmiller: „Blicken wir auf unseren aktuellen Auftragsbestand, so liegt der Anteil der E-Mobilitäts-Projekte bei über 65 Prozent und zeigt, dass unsere Kunden unsere Technologien und Lösungen in diesem Bereich sehr gut annehmen.“ Als Komplettanbieter für Anlagen zur Fertigung des elektrischen Antriebsstrangs ist Grob nach eigener Aussage im Bereich der Elektromobilität innerhalb kürzester Zeit zum Weltmarktführer aufgestiegen.
Das viele Werkzeugmaschinenhersteller einen anderen Weg gehen, zeigt das Ergebnis der Kundenstrukturerhebung des VDW. Demnach hat die Branche ihre Kundenstruktur stärker diversifiziert. Der Anteil der Autobauer sank von fast 43 Prozent im Jahr 2019 auf rund 31 Prozent im Jahr 2021. Ob nun mit, ohne oder zumindest mit weniger Automobilindustrie – eine Anpassung an die Mobilitätswende ist auf jeden Fall erforderlich.