Höhere Oberflächenqualität bei Turbinenschaufeln
Beim Bearbeiten von Turbinenschaufeln konnte Turbocam mit einer Maschinenlösung von Hamuel die Oberflächenqualität verbessern und so die Nacharbeit reduzieren.
CHRISTINA WEGNER
Obwohl nicht in den Schlagzeilen wie die Großen der Branche, ist Turbocam, 1985 in New Hampshire/USA gegründet, eine unbestrittene Marke unter den Herstellern von Kernkomponenten für Strömungsbauteile von Turbomaschinen für die Luft- und Raumfahrt, Kraftfahrzeugindustrie und Stromerzeugung. Die Ansprüche an die Qualität der produzierten Bauteile sind hoch, denn es sind enge Toleranzen und hochgenaue Oberflächen gefordert. Der Zulieferer beschäftigt weltweit 900 Mitarbeiter, die in den Produktionsstätten rund um den Globus Millionen von Strömungskomponenten für Automobilanwendungen und Flugtriebwerke und Hunderte von Blisks und Turbinenschaufeln für Motoren und Turboladerkomponenten herstellen. Darüber hinaus beliefert das Unternehmen Turbinenhersteller mit Strömungsbauteilen für Gas- und Dampfturbinen.
„Wir prüfen heute nur noch jedes fünfte Bauteil.“
Savio Carvalho
Um mit den neuesten Entwicklungen in diesem Geschäftsfeld Schritt zu halten, musste man die Produktionsprozesse verbessern, denn es galt in Bezug auf Oberflächen- und Wiederholgenauigkeit, Bauteilgrößen und -formen sowie Bearbeitungsgeschwindigkeiten den immer höheren Anforderungen gerecht zu werden. Bis dato konnten nur kleine Turbinenschaufeln bis 150 mm Länge produziert werden mit Oberflächenqualitäten, die den Erwartungen der Kunden nicht mehr entsprachen.
Savio Carvalho, General Manager bei Turbocam India, kam 2016 auf der EMO in Kontakt mit Hamuel, einem deutschen Maschinenhersteller, der am Firmenstandort Meeder materialoptimierte CNC-Bearbeitungszentren entwickelt und herstellt, mit denen Kunden unterschiedlicher Industriebranchen Werkstücke aus hochfestem Stahl, Gusswerkstoffen, Titan und Inconel bearbeiten. Schnell war für ihn klar, dass sich hier zwei Unternehmen auf Augenhöhe begegnen. „Hamuel stellt eine fantastische Ergänzung für uns dar, denn als Spartenhersteller liefert die Firma nicht nur passgenaue Maschinen, sondern Turn-Key-Lösungen. Zudem verfügen sie über genug Manpower, um uns mit umfangreichem Know-how zu unterstützen.“ Was dann 2017 am Standort Indien mit drei Anlagen für die Herstellung von Bauteilen für Dampf- und Gasturbinen begann, fand mit weiteren Maschinen für UK und die USA, wo das Fräsen von Komponenten für die Aerospace-Industrie im Mittelpunkt stand, seine Fortsetzung.
Hohe Steifigkeitswerte und Beschleunigungen
Worauf diese Zufriedenheit beruht, erklärt Rico Bertzick, Key Account Manager bei Hamuel, folgendermaßen: „Die von uns angebotene Maschinenlösung HSTM 150 S2 greift auf ein bewährtes Konzept zurück. Dank der Maschinenbasis aus Mineralguss werden hohe Dämpfungs- und Steifigkeitswerte in Verbindung mit hohen Beschleunigungen erreicht. Hochwertige Komponenten und der vibrationsarme Aufbau trafen genau den Nerv der Entscheider bei Turbocam.“ Dieser Anlagentyp ist auf alle Strömungsbauteiltypen zugeschnitten, sowohl für Turbinenschaufeln mit erweiterter Länge als auch für Blisks. Der Arbeitsraum ist dabei so angeordnet, dass eine optimale Massenverteilung und eine gute Sicht auf die Bearbeitungsanordnung gewährleistet sind.
„Dank der Maschinenbasis aus Mineralguss werden hohe Dämpfungsund Steifigkeitswerte erreicht.“
Rico Bertzick
Besonders gefällt Carvalho, dass nun Bauteilgeometrien mit Maßen bis 600 mm × 300 mm realisiert und die Schaufelprofile flexibel und mühelos an die Wünsche der Hersteller angepasst werden können. Zudem beeindrucken ihn die Bearbeitungsergebnisse mit Genauigkeiten von 25 µm im Freiformbereich, vor allem, weil diese nicht nur bei Titan, sondern auch bei Bauteilen aus hochlegierten, schwer zerspanbaren Stählen auf Nickelbasis erzielt werden. Allein die Tatsache, dass man nun auch Komponenten aus Superlegierungen präzise bearbeiten kann, ist für Turbocam ein Quantensprung. Solche Bauteile werden bei Hochtemperaturanwendungen im strukturellen Bereich und in Umgebungen, in denen Korrosion oder Oxidation die Integrität des Materials beeinträchtigen könnten, eingesetzt.
Diese sehr hohe Oberflächengenauigkeit wird neben dem vibrationsarmen Aufbau vor allem auch durch die zweite Unterstützungsachse erzielt. Diese hält das Bauteil in Position und damit zu jedem Zeitpunkt eine stabile Spannung aufrecht – auch bei Schaufeln bis 600 mm Länge. „Die Wiederholgenauigkeit mit Schwankungen von weniger als 5 µm gibt uns viel Sicherheit und wir prüfen heute statt jedem zweiten nur noch jedes fünfte Bauteil. Das spart Zeit und Kosten bei den täglich rund 50 gefrästen Bauteilen“, betont Carvalho.
Das gilt auch für die baugleichen Anlagen, mit denen in UK und den USA Turbinenschaufeln für die Aerospace-Industrie gefertigt werden. Bertzick verweist in dem Zusammenhang auf einen weiteren wichtigen Aspekt bei der Herstellung von Flugtriebwerken. Die Forderung nach geringerem Kraftstoffverbrauch, der nur durch Gewichtsreduzierung und Effizienzsteigerung realisiert werden kann, hat nicht nur zur Entwicklung besserer hitzebeständiger Werkstoffe geführt, sondern auch zur Kombination von Einzelteilen und damit zur Reduzierung von Montage- und Fügegeometrien. Die Effizienzsteigerung erzwingt höhere Anforderungen an die Leistungsdichte mit zunehmenden Drehzahlen, also Umfangsgeschwindigkeiten, sowie dreidimensional gestaltete Beschaufelungen.
Balance zwischen Fräs- und Schleifprozess
Der Hamuel-Manager ergänzt, dass mit diesen Maschinen neben der Single-Blade- auch die Bliskbearbeitung möglich ist. Diese Art der Fertigung ermöglicht eine engere Anordnung der Schaufeln, da beim Fertigungsprozess die Schaufelprofile aus einer geschmiedeten Scheibe gefräst werden. Diese wird durch die Aufspannvorrichtung an der A-Achse befestigt und kann bei der Bearbeitung drehend bewegt werden. Die dabei notwendigen Schwenkbewegungen werden vom Fräskopf durchgeführt.
Wie innovativ die Anwender sind, zeigt die Niederlassung in UK, wo beide Anlagen für die Herstellung von Prototypen eingesetzt werden. „Dabei werden neu entwickelte Schaufelprofile in einem zwei- bis dreimal kleineren Maßstab gefräst, um die Leistungsfähigkeit zu testen“, erklärt Onno Weststrate, Business Development Manager bei Turbocam. Und er weist darauf hin, „dass es für Turbocam wichtig ist, nicht nur den Fräsprozess, sondern immer den gesamten Produktionsprozess zu betrachten. Das bedeutet, wir müssen die perfekte Balance zwischen dem Fräs- und dem anschließenden Schleif- und Polierprozess finden. Je besser die Oberflächenqualität nach dem Fräsen ist, desto weniger Nachbearbeitung ist erforderlich. Und nicht zu vergessen: Je weniger Vibrationen eine Anlage überträgt, umso höher sind die Standzeiten der Werkzeuge. Diese Gesamtbetrachtung hat Hamuel immer im Blick, und das wissen wir sehr zu schätzen.“
Web-Wegweiser: hamuel.de | turbocam.com