Präzisionswerkzeuge

Die Aachen Conference on Machining zeigt neue Entwicklungen in der Zerspanung auf. Es wird auch auf die steigende Bedeutung der additiven Fertigung eingegangen.
Foto: Fraunhofer IPT

Additiv gefertigte Werkzeuge optimieren die KSS-Zufuhr


Neue Gestaltungsfreiheiten in der Werkzeugfertigung ermöglichen eine Optimierung des Kühl-schmierstoff-Einsatzes.

TOBIAS KELLIGER

Zur Reduktion der Rei- bung, zur Wärmeab- fuhr sowie zum sicheren Spanabtransport kommen in  der spanenden Fertigung Kühl- schmierstoffe (KSS) zum Einsatz. Bei der Bearbeitung schwer zerspanbarer Werkstoffe wird der Kühlschmierstoff vermehrt unter hohem Druck zielgerich- tet an die Werkzeugschneide zugeführt. Dabei zeigte sich in der Vergangenheit bereits eine starke Abhängigkeit zwischen der KSS-Zufuhrstrategie und dem Werkzeugverschleiß. Insbesondere die KSS-Auftreffposition und der KSS-Volumenstrom hatten dabei einen starken Einfluss. Die Fertigung innenliegender Kanäle und komplexer Düsengeometrien im Zerspanwerkzeug ist mit konventionellen Fertigungsverfahren wie dem Bohren oder Erodieren jedoch aufwendig, teuer und nur bedingt umsetzbar.

Individuelle Auslegung der KSS-Zufuhr

Die additive Fertigung, speziell das Laser-Powder-Bed-Fusi-on-Verfahren (LPBF), bietet die Möglichkeit zur Fertigung komplexer geometrischer Strukturen. Werden Zerspanwerkzeuge mittels LPBF-Verfahren gefertigt, ist eine individuelle Auslegung der KSS-Zufuhr je nach Bearbeitungsprozess möglich. In gemeinsamen Forschungsarbeiten zwischen dem Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen University und dem Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT werden in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie die Grundlagen für einen ökonomisch und ökologisch sinnvollen Einsatz additiv gefertigter Zerspanwerkzeue mit angepasster KSS-Zufuhr entwickelt. Dabei werden sowohl verschiedene Zerspanprozesse als auch unterschiedliche Werkzeugtypen betrachtet.

BILD 1: Im Fokus stehende additiv gefertigte Werkzeugtypen mit angepasster Kühlschmierstoff-Zufuhr von drei Herstellern.
Foto: WZL

Zum einen werden additiv gefertigte Messerkopf-Trägerwerkzeuge aus einem niedriglegierten bainitischen Stahl untersucht. Dabei steht vor allem die Steigerung der Werkzeugstandzeit sowie der Produktivität bei der Schruppbearbeitung der Luft-fahrt-Titanlegierung TiAl6V4 im Vordergrund (Bild 1). Auf der anderen Seite wird der Schneidstoff selbst im LPBF-Prozess verarbeitet. So werden zum Beispiel Vollhartmetall-Schaftfräswerkzeuge für die Zerspanung von Titan- und Nickelbasislegierungen ausgelegt und additiv gefertigt. Auch die Verarbeitung von Schnellarbeitsstählen ist im LPBF-Prozess möglich, was in der Auslegung von Gewindebohrund Gewindeformwerkzeugen mit angepassten KSS-Kanalgeometrien zum Bearbeiten hochlegierter Stähle genutzt wird. Da beispielsweise Gewinde meist am Ende der Wertschöpfungskette eines Bauteils eingebracht werden, steht insbesondere die Prozesssicherheit der Werkzeuge im Vordergrund.

KSS-Freistrahl fokussiert an die Schneide führen

Während aus Sicht der additiven Fertigung vor allem Herausforderungen hinsichtlich der Verarbeitung der schwer schweißbaren Substratwerkstoffe und der damit einhergehenden Prozessführung überwunden werden müssen, steht aus Sicht der Zerspantechnologie die Optimierung der KSS-Zufuhr unter den neuen geometrischen Freiheitsgraden im Fokus. Nachdem im ersten Schritt sinnvolle Varianten für eine neu erdachte KSS-Zufuhr identifiziert wurden, erfolgt eine konstruktive Auslegung der Kanäle und Düsen. Dabei gilt es, in Form von Turbulenzen auftretende Strömungsverluste zu vermeiden und den KSS-Freistrahl möglichst fokussiert an die Schneide zu führen.

BILD 2: Ganzheitliche und systematische Auslegung additiv gefertigter Zerspanwerkzeuge am Beispiel eines Messerkopf-Fräsers.
Foto: WZL

Gezielte KSS-Zufuhr erhöht die Standzeit

Die Auslegung wird durch den Einsatz numerischer Strömungssimulationen unterstützt, wodurch iterativ eine verlustarme und zielgerichtete KSS-Zufuhr schon vor der realen Werkzeugfertigung entwickelt werden kann (Bild 2). Das Ergebnis wird anschließend am Fraunhofer-ILT additiv gefertigt, beim Werkzeughersteller nachbearbeitet und am WZL im Zerspanversuch validiert. Auf Basis dieser systematischen Methodik konnte die Standzeit von additiv gefertigten Messerkopfwerkzeugen auf Anhieb um fast 40 % bei gleichzeitiger Reduktion des KSS-Volumenstroms um fast 50 % gegenüber dem konventionell gefertigten Vergleichswerkzeug gesteigert werden.

Die IGF-Vorhaben 21049 N, 21581 N und 20805 N wurden über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Eine detaillierte Vorstellung bisheriger Untersuchungen und weiterführende Informationen werden auf der Aachen Conference on Machining präsentiert.

M. Sc. Tobias Kelliger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen University.

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NCFertigung E-Magazin AMB Trends 09/2022

NCFertigung E-Magazin AMB Trends 09/2022

2022-09-25

Vorwort

Cover

l Die Späne-Trends zur AMB 2022

Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind die großen Themen. NCFertigung liefert aber in diesem 84-seitigen E-Magazin mehr: viele exklusive Highlights aus der ‚Welt der Späne‘: Erfahren Sie, warum das fertigungsnahe Messen den Zerspanern große Vorteile bringt. Warum sich Maschinenautomation mehr denn…

Titelstory

Cover

l Optisch oder taktil? Hauptsache fertigungsnah!

„Fertigungsnah messen ist voll im Trend.“ Die Zeiss-Experten Heinrich Müller und Alessandro Gabbia erklären, warum selbst die hochgenaue Prismo fortis sehr gut in die Fertigungsumgebung passt.

Bearbeitungszentren

Cover

l Viel Produktivität auf wenig Raum

Index hat den Drehautomaten ABC und den Langdreher Traub TNL 12 überarbeitet sowie seine G-Baureihe mit dem Dreh-Fräszentrum G220 erweitert.


Cover

l Erfolgreicher Wandel hin zur E-Mobilität

Bei Grob wurde in den vergangenen Jahren der Wandel in Richtung E-Mobilität erfolgreich bewältigt. Die Basis soll aber auch in Zukunft die Zerspanung bleiben.


Cover

l Kompetenz für automatisierte Prozesse

Die Chiron Group hat ihre Kompetenzen über die Zerspanung hinaus erweitert und bietet damit jetzt auch Automationslösungen für angegliederte Prozesse an.


Cover

l Digitale und automatisierte Lösungen

Beim dreitägigen Soraluce Summit zeigte der nordspanische Werkzeugmaschinenhersteller seine Großbearbeitungszentren mit digitalen und automatisierten Lösungen.


Cover

l Automatisierte Komplettbearbeitung

Auf dem Technologiemeeting präsentierte WFL mobile und integrierte Automationslösungen für die Komplettbearbeitung. Technisches und optisches Highlight war die M20 Millturn.


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l Sechs Maschinen live unter Span

Mazak präsentiert auf der AMB 2022 Lösungen für die Fertigung der Zukunft und zeigt sechs Maschinen live unter Span.


Cover

l Drehtechnologie in der Future Factory

Citizen zeigt auf der AMB unter dem Motto „Future Factory“ Dreh-, Digital- und Automatisierungstechnologie der Zukunft.


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l Datenbasierte Qualitätssicherung

Der digitale Zwilling ermöglicht die Bewertung der Bauteilgenauigkeit rein auf Basis interner Maschinendaten.

Präzisionswerkzeuge

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l Additiv gefertigte Werkzeuge optimieren die KSS-Zufuhr

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l Der Allrounder für zirkulare Fräsprozesse

Nutfräsen, Trennfräsen oder Verzahnungsfräsen: Das Zirkularfrässystem von Horn ist ein echter Allrounder.


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l Das Werkzeug für die Zerspanung von morgen

Werkzeughersteller müssen jetzt schon wissen, was morgen zerspant wird. Jörg Drobniewski, Leiter der Schneidstoffentwicklung bei der Walter AG, erklärt die Trends, denen der Tübinger Hersteller folgt – und was eine nächste Tiger-tec-Generation leisten muss.


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l Die Basis für intelligentes Werkzeug

„Intelligentes Werkzeug ist keine Vision, es schafft Visionen”, sagen die Experten des Oberflächenspezialisten Oerlikon Balzers, der dafür das bereits drei Jahre erprobte Tool ID anbietet.


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l Hohe Präzision ohne Spezialwerkzeug

Mapal weitet das im Vorjahr geschaffene Segment Fluidtechnik aus und stellt vier Lösungen zum besseren Finsh vor.


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l Konische Schrauben präzisionsgefräst

MPO Hydraulik fräst Verschlussschrauben für Ventilblöcke mit konischem Zoll-Gewinde – mit Spezialfräsern von Reime Noris.


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l Vibrationsbohren in Stahl und Titan

Bohren bis 60xD? Standardmaschinen und Werkzeuge brauchen gut 10 min. Wie es schneller geht, zeigt das IWT Bremen.


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l Vollautomatisierung spart 35 % ein

Werkzeughersteller Ingersoll macht es vor: Vieles läuft beim Schleifen und Fräsen der WSPs und Körper vollautomatisch.

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Tebis bringt mit der Template-Technologie in Version 4.1 die erste CAD/CAM-Software auf den Markt, die jetzt auch die Spanntechnik weitgehend automatisiert. Entwicklungsleiter Dr. Wolfgang Schinke erklärt die Zukunft.